Von der Krise in die Selbstständigkeit und zurück
Mir fiel es schwer, Worte für diesen Text zu finden. Wenn ich schreibe, dann stauen sich meistens schon die Worte in mir auf und ich komme mit dem Schreiben nicht hinterher. Bei diesem Text war das phasenweise genau das Gegenteil. Die Worte quälten sich aus mir heraus. Wie kann ich das jetzt formulieren, dass ich niemanden vor den Kopf stoße, zugleich aber ehrlich bin? Wie kann ich ausdrücken, was die letzten Monate in mir vor sich ging und immer noch geht. Bin ich überhaupt schon bereit dafür? Müsste ich nicht weiter sein und mehr schlaues Zeug von mir geben? Vielleicht ist noch nicht die richtige Zeit für diesen Text, aber ich will es. Ich will raus aus den letzten Monaten.
Also:
Im Juli 2020 kündigte ich meine Anstellung als Juristin. Kurz vor der Beamtung. Schmiss 10 Jahre Studium und Referendariat in den Wind und war voller Zuversicht, dass es nur besser werden kann, nachdem ich täglich heulend zur Arbeit fuhr, kaum Spaß dabei empfand und meine wahren Leidenschaften auf der Strecke blieben. Details dazu vielleicht mal an anderer Stelle.
Heute (Anfang 2023) mache ich nun endlich beruflich das, was mir Spaß macht: Ein kleines Kreativbusiness (für das gerade sehr wenig Zeit ist, aber anderes Thema 😉) und ein Pole Dance und Yoga Studio in Aschaffenburg. Ich darf mich jeden Tag bewegen, Malen ist Arbeit und ich kann die (Büro-) Arbeit einigermaßen frei einteilen. Läuft. Oder?
Was ich dachte, was passiert? Mehr Glücklichsein und Leichtigkeit! Freude und Zufriedenheit! Das, was ich meinem ersten beruflichen Leben nicht hatte.
Was ich bekam? Tiefe Traurigkeit, mehr Selbstzweifel als jemals zuvor und tägliche finanzielle Sorgen. Was bei anderen so leicht aussieht, was mir in diversen Coachings und auf vielen Instagram Profilen vermittelt wurde, stellte sich bei mir nicht ein…
Warum?
Diese Frage habe ich mir sehr oft gestellt. Von den finanziellen Sorgen mal abgesehen, die in einem eigenen Artikel zu betrachten wären…
Wenn du ominöse Business Coaches fragen würdest, fehlt mir wahrscheinlich das Mindset, die richtige Business Strategie, ich bin nicht laut genug, will es nicht genug, denke nicht positiv genug. Was auch immer, vielleicht habe ich noch nicht genug in mich investiert ;)
Nie genug.
Wenn du mich fragst. Ich bin tatsächlich nicht genug. In meinem Kopf.
Ich habe kein "Urvertrauen" in mich, kein großes Selbstbewusstsein. Bitte kommt mir jetzt nicht damit, dass man daran arbeiten kann. Ich weiß. Aber wenn du jeden Tag erstmal damit beschäftigt bist, jedes Gespräch, jeden Kurs, jedes Handeln durchzugehen und auf eigene Fehler zu untersuchen. Wenn du immer davon ausgehst, dass du einen Fehler gemacht hast und nicht andere. Wenn du keine Grenzen ziehst, weil du allen gefallen willst. Wenn du von allen gemocht werden möchtest. Wenn du grundsätzlich davon ausgehst, dass dich niemand leiden kann und du alles schlecht machst. Wenn du introvertiert und sensibel bist. Wenn du dann noch mehr machst, um denen zu gefallen, die dir nie ein Danke oder Lob zuwerfen werden. Und noch mehr und mehr, weil man weiß ja nie?
Dann ist Selbstständigkeit erstmal scheiße und hart. Abgesehen natürlich von den RIESEN Vorteilen, Arbeitszeit frei einzuteilen etc. – ihr wisst schon. Das will ich gar nicht in Frage stellen!
Mich hat aber nach der Anfangseuphorie erstmal der Strudel der negativen Gedanken erwischt und festgehalten. Ich habe die „Schuld“ manchmal bei anderen gesucht (Die nutzen mich aus. Die mögen ich nicht und wollen alles umsonst etc. Die sind unfreundlich und egoistisch. Die sind dreist. Die sehen meinen Wert nicht. Die finden micht nicht gut (genug).) und in der Konsequenz mich noch mehr angepasst und mich verloren in vorgestellten Erwartungen anderer und mich selbst, meine Leistungen und meinen eigenen Wert täglich nach unten manipuliert. In meinem Kopf, meinen Gedanken und meinen Gefühlen. Bis da nur noch Tiefe und Dunkelheit war. Und am Grunde dieser Dunkelheit traf ich ein kleines trauriges Mädchen. Ich habe mich zu ihr gesetzt und bin erstmal geblieben. Weil Traurigkeit und Einsamkeit für mich die gerechte Strafe dafür waren, dass ich nicht gut genug bin, dass ich nicht mal glücklich sein kann, wenn außenrum alles passt.
Aber ich will hier nicht mehr sein. Zumindest nicht so dunkel. Ich weiß inzwischen, dass mich niemand anderes da rausholen kann. Lob, Dank und Anerkennung anderer sind nur Wolkentreppen, die bei der ersten Kritik, dem ersten negativen Gedanken wieder zerplatzen und mich nur noch tiefer fallen lassen. Ich muss mir meine eigene Treppe bauen. Stein für Stein. Das wird dauern. Aber dafür ist sie sicher und hält ewig. Wenn ich diese Treppe aus eigener Kraft schaffe, wird sich viel verändern. Ich weiß noch nicht genau, wie ich es schaffen soll, so viele Steine aufzutreiben. Ich weiß auch noch nicht, ob ich es schaffe. Ich werde mir aber treu bleiben.
Denn:
"Ich bin nicht hier, um mich zu bemühen Ich bin hier, um zu glüh'n Ich bin hier, um zu blüh'n Ich bin nicht hier, um dir zu gefall'n Ich bin nicht hier, um dir zu gefall'n
Nein, ich bin hier für die Sterne Und ich bin hier sehr gerne Und ich bin hier, weil ich lerne Ich bin nicht hier, um dir zu gefall'n Ich bin nicht hier, um dir zu gefall'n"
~ Dota, Für die Sterne ~
Dass ich in mir etwas verändern muss und sich dann auch mein Umgang mir gegenüber und der Umgang anderer mir gegenüber besser wird, war auch erstmal hart und hat Zeit gebraucht, aber letzten Endes gibt es mir wieder die Kontrolle über die (miese) Lage zurück. Außerdem musste ich feststellen, dass es ähnliche Themen sind, die mir auch im Angestelltenverhältnis begegnet sind. Hätte ich dort vielleicht doch glücklicher werden können? Ja, vielleicht etwas. Aber nicht genug.
War ich vielleicht auch einfach zu naiv? Kann sein, aber ich glaube immer noch daran, dass es auch für „Menschen wie mich“ die Chance gibt, mit einer Selbstständigkeit „zufrieden“ und „erfolgreich“ zu sein. Anführungszeichen, weil jeder Mensch diese Worthülsen selbst füllen muss. Ich will überwiegend Spaß, Abwechslung, Bewegung und Kreativität und zwar so, dass dich davon leben kann und es mir psychisch gut geht. Ich glaube daran, dass ich das auf meine Weise schaffen kann: Nahbar, sensibel und echt. Zugleich bestimmt, stark und mutig.
Werde ich aufgeben/aufhören?
Noch nicht.
Liebe
Michelle
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